Kolumne über kulturelle Unterschiede: Wasserland Niederlande

Es gibt viele kulturelle Unterschiede zwischen den Niederländern und den Deutschen, aber eigentlich gibt es noch viel mehr Gemeinsamkeiten, die uns zusammenhalten und uns zu „guten und geschätzten Nachbarn“ machen.
„Wichtig: Es gibt weder einen typischen Deutschen noch einen typischen Niederländer. Meine Geschichte weist auf Unterschiede hin, die in etwa bestehen. Keine Werturteile oder Präferenzen“.

In dieser Kolumne möchte ich erzählen, wie ein Stück niederländischer Kultur historisch erklärt werden kann. Im nächsten Newsletter werden wir die deutsche Seite hervorheben. Um die kulturellen Unterschiede zwischen den Niederländern und den Deutschen zu verstehen, müssen wir die Geschichte beider Länder also kennen. Die Mentalität eines Landes ist oft von historischen Erfahrungen und Lebensbedingungen geprägt. Die lockeren Umgangsformen in den Niederlanden, die flachen Organisationen (mit wenig oder keiner Hierarchie) und das Streben nach Konsens lassen sich durch ein Phänomen namens Egalitarismus erklären. Jeder Mensch ist gleich. Dies wiederum findet seinen Ursprung in den ‚Waterschappen‘ (Deichverbände). Die Niederlande liegen zu einem großen Teil unter dem Meeresspiegel, weshalb ihre Bewohner seit Jahrhunderten gegen das Wasser kämpfen. Waterschappen gehören zu den ältesten demokratischen Organisationen der Welt und haben zum Ziel, die Bewohner eines Gebietes vor dem Wasser zu schützen. Da das Wasser jeden bedroht, unabhängig von seiner Herkunft, herrscht im Kampf gegen das Wasser ein großes Maß an Solidarität.
Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland gab es früher Hunderte von Fürstentümern. Auf deutscher Seite herrschte also jahrhundertelang der Adel, es gab also keinen Egalitarismus, sondern eine notgedrungene Autoritätstreue und einen Hang zu Struktur und Sicherheit.
Das Wasser formte die Niederländer ohnehin. Als ein Volk von Seeleuten handelten wir auf der ganzen Welt. Es versteht sich von selbst, dass man, wenn man mit anderen, fremden Kulturen Handel treibt, auf alles vorbereitet sein muss. Diejenigen, die Handel treiben, müssen Rückschläge und sich verändernde Umstände leicht verkraften können und so flexibel sein, dass sie sich bietende Gelegenheiten schnell ergreifen können. Für Deutsche ist es oft schwierig, damit umzugehen. Für die Deutschen ist ein Deal ein Deal. Die zwischenzeitliche Änderung von Plänen, zum Beispiel weil man merkt, dass ein anderes Vorgehen mehr bringen kann, wird in Deutschland oft als unzuverlässig und schwach angesehen.
Wie wichtig das Wasser für uns war, zeigt sich auch an unserer Sprache. In keinem anderen Land der Welt gibt es so viele Sprichwörter und Sprüche, die ihren Ursprung in der Schifffahrt und Fischerei haben. Viele Ausdrücke sind immer noch erkennbar, wie zum Beispiel ‚overstag gaan‘ (‚über Stag gehen‘, eine Arbeitsweise ändern) und ‚We zullen wel zien waar het schip strandt‘ (‚Wir werden sehen, wo das Schiff landet‘, abwartende Haltung einnehmen). Aber es gibt auch viele Ausdrücke oder Phrasen, die wir nicht mehr als Seefahrtbegriffe anerkennen. Wie wäre es mit ‚ruimschoots‘ (mehr als genug) oder ‚wildebras‘ (ein wilder Junge oder ein wildes Mädchen)? Es gibt auch unglaublich viele Begriffe im Zusammenhang mit der Trunkenheit der Seeleute: ‚Hij is onder zeil‘ (Er ist unter Segel“, er ist betrunken), und .Vis moet kunnen zwemmen‘ (Fisch muss schwimmen können‘, das Essen (Fisch) sollte mindestens Schnaps, Bier oder Wein enthalten).
Also: Wenn Sie mit den Niederländern Handel treiben oder einfach nur mit ihnen zu tun haben, denken Sie daran:
1. Wenig oder keine Hierarchie
2. Lose Manieren (jij/du statt u/Sie)
3. Konsultationsstrukturen basieren auf Konsens
4. Viel Flexibilität bei Sitzungen
5. Das Erscheinungsbild ist lockerer als in Deutschland
6. Humor ist ein weit verbreitetes Mittel, um heikle Themen aufzulockern
7. Geringere Trennung zwischen Privat- und Berufsleben als in Deutschland
8. Verwendung der Titulatur viel weniger vorhanden als in Deutschland

Paul Marcelis
Projektmanager